Jetzt ist mein Praktikum in Walldürn schon wieder fast eine Woche vorbei und ich möchte euch ein Feedback geben.
Ich kann nur eines sagen: Nach diesem Praktikum bin ich absolut zweifelsfrei überzeugt, dass ich mir das richtige Ehrenamt ausgesucht habe.
Die drei Tage waren total intensiv, Lachen und Weinen haben sich abgewechselt. Ich habe das erste Mal jemand Verstorbenes gesehen, ich war dabei, als die Verstorbene abgeholt wurde, ich habe viel mit verschiedenen Gästen gesprochen und ich habe die Hauswirtschafterinnen unterstützt.
Das für mich wichtigste Erlebnis war am letzten Tag. Da habe ich eine halbe Stunde am Bett eines Sterbenden gesessen und ihm die Hand gehalten, damit seine Frau Zeit hatte, mit dem Hund Gassi zu gehen. Das war eine sehr bewegende Erfahrung.
Gerne würde ich die Praxisphase weiter nutzen, um Erfahrungen zu sammeln.
Vor einigen Jahren verstarb der Mann einer langjährigen Freundin drei Tage nach der Trauung der beiden im Krankenhaus. Sein Tod kam nicht überraschend. In der Zeit vor und nach seinem Tod haben meine Freundin und ich viele Gespräche geführt und unsere Gedanken zum Thema Tod und was danach wohl kommen mag ausgetauscht. Es waren oft sehr lange Gespräche, mit vielen Tränen, Ängsten, Sorgen und auch mit Wut. Einige Jahre später sagte sie mir, wie unglaublich wichtig unsere Gespräche für sie in dieser dunklen Zeit waren, und ich war sehr froh, dass ich für sie da sein konnte.
Als ich 2019 die Fühler nach einer ehrenamtlichen Arbeit ausstreckte, stieß ich auf die Internetseite des Hospizes Bergstraße. Ich ging zum Infoabend und habe im Anschluss den Fragebogen für ehrenamtliche HospizbegleiterInnen ausgefüllt. Hier wurde ich u. a. nach meiner Motivation für ein Engagement in der Sterbebegleitung gefragt, nach meinen Erfahrungen mit Sterben, Tod und Trauer, sowie nach meinen Erwartungen. In einem anschließenden persönlichen Gespräch konnte ich nochmals meine Gründe für eine Teilnahme am Kurs erläutern und auch meine Verfügbarkeit klären. Ich bin berufstätig in Vollzeit und habe Familie, daher stehe ich nur abends und an manchen Wochenenden zur Verfügung. Erst hatte ich Bedenken, dass ich deswegen nicht für dieses Ehrenamt geeignet sei, aber zum Glück ist das nicht so.
In den folgenden zwölf Monaten fanden dann regelmäßig Kurstreffen statt. Die Ausbildung ist gegliedert in eine Grund-, eine Praxis- und eine Vertiefungsphase. Da alle Kurstermine vorab bekannt waren, konnte ich sie gut einplanen.
Am Anfang haben wir TeilnehmerInnen unsere eigenen Kursregeln aufgestellt: Ausreden lassen, pünktlich sein. Diskretion und gegenseitiger Respekt waren uns sehr wichtig. Nach der ersten Kennenlernphase wurden wir sehr schnell sehr vertraut miteinander. Überhaupt bin ich nachhaltig tief beeindruckt von dem gegenseitige Vertrauen, dem Verständnis und dem Respekt, den wir uns von Anfang an entgegenbrachten. Und auch unsere Kursregeln wurden wie selbstverständlich von allen angenommen und umgesetzt.
Als ich die Übersichten über die Strukturen des Grund- und Vertiefungskurses las, war ich überrascht. Ich hatte erwartet, dass es hauptsächlich um die Menschen geht, die wir begleiten. Stattdessen ging es ganz viel um die Begleitenden, die Teilnehmenden. Wahrnehmen, Mitgehen, Zuhören, Verstehen, Weitergehen, Bleiben, Loslassen, die eigenen Grenzen kennen – um nur einige Themen zu nennen. Gruppenarbeiten, Rollenspiele und Übungen gaben Gelegenheit, sich intensiv mit sich selbst in verschiedenen Situationen und mit verschiedenen Themen auseinanderzusetzen. Hier wurde klar, weshalb die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich anderen zu öffnen, eine wichtige Voraussetzung zur Teilnahme am Hospizbegleiterkurs sind. Aber auch praktische Dinge wie Patientenverfügung & Vorsorgevollmacht wurden besprochen, und ein gemeinsamer Besuch in einem Beerdigungsinstitut war sehr interessant und informativ.
Während der Praxisphase gab es die Möglichkeit, sich sowohl in der ambulanten Hospizbegleitung des HospizVereins Bergstraße einzubringen als auch in Hospizen in Bensheim und Umgebung tätig zu werden. Ich habe mich für das stationäre Hospiz Bergstraße entschieden und konnte so in vertrauter Umgebung abends und an den Wochenenden erste Erfahrungen sammeln. Durch den Grundkurs fühlte ich mich gestärkt und ermutigt, die Aufgaben der praktischen Arbeit anzutreten.
Es gab natürlich auch Situationen, die mich sehr berührt haben. Begegnungen und Gespräche mit Angehörigen, in denen mir schnell die Worte fehlten. Oder auch Übungen im Kurs, die mir klar machten, wie schwer es sein kann, etwas lieb Gewonnenes loszulassen. Hier erinnere ich mich insbesondere an einen Samstag. Ich hatte mir vorgenommen, im Anschluss an den Kurs noch diverse alltägliche Dinge wie Einkaufen, Autowäsche usw. zu erledigen. An diesem Tag machten wir eine Übung zum Thema „Loslassen“. Diese hat mich so bewegt, dass ich im Anschluss an den Kurs einfach nur noch nach Hause zu meiner Familie wollte. Einkauf und Autowäsche waren an diesem Tag für mich nicht mehr wichtig.
Der Austausch im Kurs über unsere Erfahrungen, Schwierigkeiten und Unsicherheiten war sehr hilfreich. In allen Phasen des Kurses fühlte ich mich stets bei unseren Kursbegleiterinnen Martina Strübig und Anika Frickel sehr gut aufgehoben. In ihnen hatte ich immer eine Ansprechpartnerin. Und auch meine KurskollegInnen haben mir das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. „Ich fühle mich vom Kurs getragen“, war eine Aussage, die öfter im Kurs fiel. Hier und da liefen bei verschiedenen Themen auch mal Tränen, aber insgesamt herrschte stets eine positive und optimistische Stimmung und es wurde deutlich mehr gemeinsam gelacht als geweint.
Rückblickend kann ich sagen: Der Hospizbegleitungskurs war für mich eine riesengroße Bereicherung. Ich habe interessante Menschen kennengelernt und durfte teilhaben an deren (Lebens-)Erfahrungen, Glauben, ihren Erwartungen und deren Motivation, Menschen beim Sterben zu begleiten. Ich bin weiterhin gespannt und freue mich auf zukünftige Begegnungen.
Mitgenommen habe ich sehr viele Impulse und Denkanstöße, nicht nur für den Umgang mit anderen Menschen, sondern auch für den Umgang mit mir selbst und meinem Leben.
Text: Franziska Evans